This Was Paradise (VÖ: 04.06.2021)

SORBET lautet der Name, unter dem der irische Musikproduzent Chris W. Ryan (Just Mustard, NewDad sowie das von ihm selbst gegründete Robocobra Quartet) im Jahr 2020 anfing, erste Tracks zu veröffentlichen, und zwar mit der ausdrücklichen Absicht, Ohren und Geist gründlich durchzuspülen – sowohl die der Hörer als auch seine eigenen. Die viele Zeit mit Künstlern im Studio sowie andere, unter der Regie eines Produzenten entstandene Alben wie zum Beispiel Brian Enos New Green World, dienen ihm dabei als Inspiration: „Was mir daran gefällt, ist, dass man auf einem Album wie diesem die spielerische Interaktion zwischen Freunden erkennt - da gibt es keine Einschränkungen oder Regeln, wie du sie manchmal erlebst, wenn du versuchst, den Sound einer Live-Band zu reproduzieren.“ Frei über alle Genregrenzen hinweg erschafft SORBET eine eigene, musikalische Welt, in der Einflüsse durch elektronische Musik genau so zur Geltung kommen wie klassischer und Alternative-Pop. Auch die zahlreichen Anspielungen auf Künstler wie Laurie Anderson, Arthur Russell, Kate Bush und David Byrne sind nicht zu überhören.

Inspiriert von dieser kreativen Freiheit vereinigt das SORBET-Debütalbum This Was Paradise eine Vielzahl von Mitstreitern, und alle kreisen sie um Chris. Er bildet das Zentrum des Ganzen und beweist so seine Fähigkeiten als Komponist wie als Techniker gleichermaßen: „Ich kann Beats produzieren, Texte schreiben, klassische Musik komponieren, Snare Drums regulieren - ich nutze einfach alle meine Möglichkeiten, um daraus etwas Aufregendes zu schaffen.“ Auf diesem Album sind die Stimmen von Maija Sofia, Mark McCambridge (Arborist) und Mícheál Keating (Bleeding Heart Pigeons) ebenso zu hören wie die vor Energie strotzenden Beiträge von Musikern aus der Jazz- und Klassikwelt, die Chris für das Projekt gewinnen konnte. „So viele großartige Musiker spielen auf dieser Platte mit. Mit einigen bin ich seit Jahren befreundet, andere bewundere ich schon länger und habe nur auf eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit gewartet, wie etwa mit der Jazzsaxophonistin Lara Jones oder dem Kontrabassisten Jack Kelly.“

Diese beiden sind auch auf der Lead-Single I Heard His Scythe zu hören. Mit einem optimistischen Nihilismus, der für die Platte von zentraler Bedeutung ist, schneidet dieser Song jede Verzweiflung in Stücke. Vor einem musikalischen Background, der an Kate Bushs Watching You Without Me anknüpft, weist Maija Sofia mit ihrem luftig-leichten Refrain den Sensenmann in seine Schranken: „I heard his scythe whoosh past my ear, it gets a little louder every year“. Die unbeschwerte akustische Vielfalt auf This Was Paradise ist jedoch gleichzeitig eng an das Konzept des Albums gebunden: Ein Nachgrübeln über die prekäre Lage der Menschheit im Fegefeuer des Lebens. „Wir stecken zwischen Paradies und Hölle fest und schwingen ständig zwischen diesen beiden Polen hin und her, je nach dem, wie wir uns zueinander und gegenüber unserem Planeten verhalten. Durch den Klimawandel schlittern wir zum Beispiel beinahe wörtlich auf eine Hölle zu.“ Dieser Gegensatz zeigt sich in der Verwendung akustischer und elektronischer Instrumente, insbesondere im Titel Hell, dem letzten des Albums – ein Song mit einer klaren Trennung in der Mitte: auf der einen Seite ein Streichquartett, auf der anderen vier Synthesizer. „Ästhetisch wollte ich das Gleichgewicht zwischen akustischer und elektronischer Komposition halten, zwischen der natürlichen Welt und dem Fußabdruck des Menschen." Hier haben wir auch das zentrale Motiv von This Was Paradise. Das Album steckt voller Verweise auf Miltons episches Gedicht Paradise Lost, das mit Adams Vertreibung aus dem Garten Eden beginnt: „Man’s first disobedience and the fruit of that forbidden tree.“ 

Die letzte Textzeile des SORBET-Debütalbums ruft uns entgegen: „This was paradise, it was nice.“ Auch, wenn diese Zeilen sehr endgültig klingen, so ist der eigentümlich sorglose Tonfall eine Mahnung an uns alle, die Zeit zwischen dem Jetzt und dem Ende so gut wie möglich zu nutzen.